Agrar Magazin / AgrarGespräch

Agrargespräch Biodiversität
AgrarGespräch

3. AgrarGespräch: So diskutieren die Expertinnen und Experten über Biodiversität in der Praxis

Die Förderung der Artenvielfalt und der mögliche Beitrag der Landwirtschaft war am 6. August das Thema des 3. AgrarGesprächs. Den Initiatoren Agrarzeitung und Bayer ist es erneut gelungen, eine Diskussionsrunde zusammenstellen, die die unterschiedlichen Positionen kompetent erläuterten.

AgrarGespräch Das neue Live Formatt

Die Moderatorin Dr. Angela Werner, Chefredakteurin der Agrarzeitung, eröffnete die Runde und gab zuerst der Praxis das Wort. Stefanie Peters, Betriebsleiterin der Agro Farm GmbH Nauen, erläutert zunächst die umfangreichen Blühflächenprojekte, die auf dem Betrieb durchgeführt werden. Von den etwas mehr als 2.000 Hektar Betriebsfläche sind zurzeit rund 40 Hektar für die Blühflächen reserviert, nächstes Jahr sollen noch einmal zehn Hektar hinzukommen. „Als wir 2017 begonnen haben, bestand die erste Aufgabe darin, geeignete, sprich standortangepasste Blühmischungen zu finden“, erklärte Peters. Als Bayer ForwardFarm erhielt der Betrieb Unterstützung von Bayer und von wissenschaftlicher Seite vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität (ifab) aus Mannheim. Julia Köbele ist in die Projekte als Biodiversitätsverantwortliche bei Bayer eingebunden. Die Betreuung und Beratung sind aus ihrer Sicht unerlässlich, denn „wir dürfen die Landwirte nicht allein lassen und wir brauchen die Naturschutz-Expertise.“ Gleichzeitig dürfe man die Ökonomie der Betriebe nicht aus den Augen lassen.

 

Dr. Manfred Klein, Leiter Fachgebiet Naturschutz in der Landwirtschaft beim Bundesamt für Naturschutz (BfN), erweitert den Diskussionsrahmen, in dem er darauf hinweist, dass Biodiversität natürlich mehr sei als „nur“ Blühstreifen. Nicht nur Jörg-Andreas Krüger, Präsident Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), sondern auch die anderen Gesprächsteilnehmer bestätigen das. Einig ist sich Runde auch darin, dass Förderregularien nicht immer optimal, teilweise sogar widersprüchlich oder kontraproduktiv ausgestaltet seien. Diesen Punkt erläutert Peters anhand von Beispielen aus der Praxis. Sie hofft, dass sich jetzt mit dem neuen Förderprogramm für Brandenburg einige Widersprüche auflösen ließen. Auch Krüger sieht den Wert von Blühstreifen als reine kurzfristige Nahrungsgrundlage für Honigsammler als zu kurz gegriffen. Aus Naturschutzsicht seien mehrjährige Blühflächen günstiger als einjährige zu bewerten, weil man so notwendige Insektenhabitate schaffe. „Problematisch ist die Limitierung der angelegten Maßnahmen auf dem Acker auf fünf Jahre aufgrund der aktuellen Förderpolitik. Das ist kontraproduktiv,“ stellt er klar.

Weitestgehend stimmt die Runde zu, dass Pflanzenschutzmittel auf ökologischen Vorrangflächen nicht zum Einsatz kommen dürfen. Das allein reiche aber nicht aus, führt Krüger weiter aus. Vielmehr müsse der integrative Ansatz beim Pflanzenschutz insgesamt eine viel stärkere Berücksichtigung in der Praxis finden. Einspruch kommt von der Praktikerin. „In den meisten Blühmischungen werden im Laufe der Zeit Gräser zum Problem, die wir auf unseren Flächen nicht haben wollen“, sagt Peters. Ein absolutes Verbot etwa von Herbiziden etwa sieht sie nicht unkritisch. Durch eine gezielte Gräserkontrolle könnten wertvolle Blühstreifen sozusagen revitalisiert werden.

Die Vernetzung von Blühflächen erscheint allen Gesprächspartnern als sinnvoll. „Dies gilt vor allem auch für Regionen mit kleineren und mittleren Betrieben“, meint dazu Krüger.

Neben den Blühstreifen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, um die Artenvielfalt zu fördern. Peters beschreibt, was in Nauen noch getan wird. Untersaaten in Getreide hätten sich witterungsbedingt und wegen Druschproblemen bei der Ernte als schwierig erwiesen. Julia Köbele erläutert: „Auf unserer ersten ForwardFarm im Rheinland setzen wir bereits über 20 Maßnahmen erfolgreich um, etwa das Feldlerchenfenster oder Habitate für Wildbienen. Unsere Erfahrung ist, dass Landwirte Biodiversitätsmaßnahmen umsetzen, auch wenn nicht immer eine Förderung dahintersteht.“

Die Summe vieler kleinerer Maßnahmen erscheint auch Klein sinnvoll. „Wichtig ist zu definieren was wir wollen. Wir brauchen nicht nur das Rezeptbuch, sondern vor allem ein Zutatenbuch.“ Zudem wünscht er sich mehr Dynamik in de Landwirtschaft. „Sogar der Europäische Rechnungshof hat kritisiert, dass unsere aktuellen Fördermaßnahmen nicht die Wirkungen entfalten, die wir uns wünschen“. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, die standortbezogenen Defizite zu definieren.

3. AgrarGespräch: Biodiversität konkret

Wie können wir den Anbau von Blühstreifen und Co. weiter optimieren?

Auch Krüger wünscht sich, den Artenschutz stärker vom Ziel her zu denken und dann zu klären, was in das jeweilige Betriebskonzept passt. Ihm schwebt das niederländische überbetriebliche Modell AUKM als zielgerichtetes Flächenmanagement vor, das den teilnehmenden Landwirten mehr Flexibilität biete. Zudem könnten die an dieser Kooperation beteiligten Landwirte den bürokratischen Aufwand an die Kooperation delegieren.

Peters bringt den Gedanken der Erfolgsmessung in die Diskussion ein. „Wir als Landwirte wollen etwas über die Qualität unseres Tuns erfahren, auch beim Artenschutz“. Dass dazu das Monitoring jahrelang gefehlt habe, räumt Krüger ein. Auch an der Beratung hapere es. Eine gute Orientierung böten jetzt die F.R.A.N.Z-Projekte. Hervorzuheben sei, dass im Rahmen dieses Projektes die Beteiligten miteinander ins Gespräch kämen und dass es die Möglichkeit biete, gemeinsame Lösungen für eine Region zu entwickeln.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es über den Umfang von Schutzmaßnahmen. „Aus Sicht der Wissenschaft benötigen wir 15 bis 20 Prozent der Flächen für die biologische Vielfalt“, sagt Klein. Dazu zählten aber auch Landschaftselemente sowie „in crop“- Maßnahmen, also Maßnahmen innerhalb der Bewirtschaftung. Peters sträubt sich dagegen. „20 Prozent sind ökonomisch nicht realistisch und auch nicht vertretbar – Landwirtschaft hat noch immer den Auftrag, Nahrungsmittel zu produzieren“, sagt sie. Mehr Individualität sei hier wichtig. Auch Köbele erscheinen diese 20 Prozent als zu hoch, vor allem, wenn diese Flächen auf Gunststandorten aus der Lebensmittelerzeugung herausgenommen würden. Dem widerspricht Krüger, der jedoch auch das Problem der Finanzierung einräumt. „Die 20 Prozent ergeben sich aber aus den Bedürfnissen.“ 

Der Umbau der Direktzahlungen ist aus Sicht des Naturschutzes deshalb unumgänglich. Hierzu gebe es erheblichen Diskussionsbedarf, formuliert Krüger. Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft hätten sich geändert. Die Landwirtschaft müsse das Signal aus der Bevölkerung ernst nehmen. Ansonsten fehlten nachher die Geldströme zur Finanzierung des Umbaus. Bei allen unterschiedlichen Ansätzen erkennt Klein einen positiven Trend und einen Änderungswillen bei allen Beteiligten.

In der Schlussrunde bestätigt auch die Praktikerin Peters, dass man sich nicht verschließen dürfe. Eine Beteiligung an der gesellschaftlichen Diskussion sei wichtig, um die Rahmenbedingungen mitgestalten zu können. Die Aufgabe für die Industrie sieht Köbele darin, mit innovativen Ansätzen stärker in die Fläche zu wirken. Werkzeuge wie die Biodiversitätsberatung oder der Einsatz digitaler Technologien seien dafür geeignet. Als absolut notwendig betrachtet es Klein, die Rahmenbedingungen der Förderpolitik anzupassen. Für Krüger gehört es zur Aufgabe der Zukunftskommission, der er angehört, Ziele zu formulieren, aus den Einzelbetrachtungen herauszukommen und daraus eine sinnvolle Förderpolitik zu entwickeln. Alles andere sei Stückwerk.

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