Agrar Magazin / AgrarGespräch

AgrarGespräch: Zukunft der Beratung
AgrarGespräch

6. Agrargespräch: Persönlich, digital, ganzheitlich – Wie sieht Beratung in der Zukunft aus?

Am Computer oder auf dem Feldtag? Generalisten oder Spezialisten? Was brauchen Landwirtinnen und Landwirte der Zukunft und wie werden sie sich informieren? Diese Fragen diskutierte die Gesprächsrunde beim 6. Bayer AgrarGespräch am 9. Oktober.

Das 6. AgrarGespräch widmete sich dem Thema landwirtschaftliche Beratung. Immer komplexer werdende Herausforderungen im Pflanzenbau verändern die Landwirtschaft und den Bedarf an Beratung. So sehen sich Landwirtinnen und Landwirte heute mit sehr komplexen Herausforderungen konfrontiert. Beispielsweise nehmen Handlungsoptionen im Pflanzenschutz ab und mit Blick auf das Resistenzmanagement sind ganzheitliche Lösungsansätze gefragt. Auch die knapper werdende Zeit bleibt nicht ohne Folgen auf das Informationsverhalten der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter. Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie haben das ihrige beigetragen und die Etablierung neuer, insbesondere digitaler Beratungswege beschleunigt.

„Uns hat Corona Gott sei Dank nicht kalt erwischt“, eröffnete Dr. Christoph Leufen, Bereichsleiter Pflanzliche Produktion und Abteilungsleiter Customer Relationship Management Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG, die Gesprächsrunde. Schon früh habe man Notfallteams gebildet und sei deshalb vergleichsweise problemlos in das Frühjahrsgeschäft gestartet. Die RWZ sei beratungstechnisch auf nahezu allen digitalen Kanälen unterwegs. Als Beispiel nannte er die digitale Plattform RWZ inside.

Dr. Josef Kuhlmann, Fachgruppenleiter Pflanze Bezirksstelle Oldenburg-Süd der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sieht auch die Offizialberatung in Niedersachsen recht gut aufgestellt. Dabei sei es nicht einfach, die in normalen Jahren 60.000 stattfindenden Kundenkontakte aufrecht zu erhalten. Optimierungsbedarf bzw. neue Lösungsansätze sieht er bei klassischen Präsenzangeboten, etwa den verpflichtenden Angeboten zu den Pflanzenschutzsachkundenachweisen. „Hier müssen wir Lösungen für rund 15.000 bis 20.000 Präsenzschulungen schaffen“, sagte Kuhlmann. Man denke etwa über Präsenzveranstaltungen in großen Hallen nach. Im Zuge der Umstrukturierung mit all ihren Schwierigkeiten forderte er, dass auch die entsprechenden Kontrollen mit Augenmaß durchgeführt werden sollten.

Aus dem Frankenland war Tobias Niklas, Landwirt und Dienstleister Pflanzenbau in Dietenhofen, zugeschaltet. Er erläuterte aus der Sicht des Praktikers, dass sich die Beratung bereits vor Corona stark verändert habe. „Mein Vater hatte noch viel mehr persönliche Kontakte. Ich nutze heute verstärkt unterschiedlichste Informationswege, um mit den Kollegen und Kunden, aber mit dem Handel oder Herstellern zu kommunizieren.“ Für ihn steht oftmals die Frage im Mittelpunkt, wie er mit der neuen Informationsflut umgehen soll und wie verlässlich die Informationen tatsächlich sind.
Nils Bauer, Leiter Marketing Bayer, setzt auf gut ausgebildete Landwirte, die aktiv nach der zum den Betrieb passenden Beratung nachfragen. Dies sei für Bayer auch nichts gänzlich Neues, da viele Landwirte schon digitale Werkzeuge wie Wetter- oder Bestimmungs-Apps nutzen würden. „Diese Tools müssen keine Rundum-Information zu einem großen Thema liefern, sondern relevante regionale Informationen zur Verfügung stellen.“ Tobias Niklas ergänzte, dass sich jeder Betrieb aus der Flut der Newsletter oder sonstigen Angebote seinen eigenen Mix zusammenstellen müsse. „Wichtig bleibt am Ende doch noch der persönliche Kontakt zu einem Berater meines Vertrauens, der mit seiner externen Expertise meine Entscheidungen absichern kann.“

6. AgrarGespräch: Landwirtschaftliche Beratung in der Zukunft

Die Vertrauensfrage ist für alle Gesprächsteilnehmer ein wichtiger Punkt für die Qualität der Beratung, ob nun digital, telefonisch oder im persönlichen Gespräch auf dem Feld. In diesem Zusammenhang meinte Leufen, man müsse als Beratungsanbieter und Hersteller sowie Handelspartner unbedingt verhindern, die Angebote „aufzurüsten“. „Pflanzen wachsen nicht in der Cloud, sondern auf dem Feld“, so sein Statement, und Niklas ergänzte: „Landwirte haben keine Zeit, einen ganzen Tag Informationen zu filtern, irgendwann müssen sie auch arbeiten.“

„Digitale Informationen müssen überschaubar bleiben“, meinte auch Nils Bauer. „Eine Eins zu Eins- Übermittlung von längeren Präsenzveranstaltungen wie beispielsweise Feldtage bringen keinen Nutzen.“ Auch Diskussionen ließen sich nur schwer über Videobeiträge abbilden.

Doch nicht nur Beratungswerkzeuge haben sich verändert, auch die Anforderungen an die Beratungsinhalte unterliegen großen Veränderungen. Dies bestätigte Kuhlmann für die Offizialberatung. „Green Deal, Farm-to- Fork, Insektenschutzprogramm oder speziell der Niedersächsische Weg erfordern eine neue Form der Systemberatung“. Leufen sieht beispielsweise eine verstärkte Beratungsnachfrage aus dem Biobereich bzw. seitens der Landwirte, die über eine Umstellung nachdenken. Gefragt, ob das nicht den Interessen der Agrarchemie entgegenlaufe, erwiderte Bauer, dass dies keinesfalls so wäre. Bayer etwa sehe das Thema Nachhaltigkeit als wichtige Beratungsaufgabe. Nicht umsonst habe man inzwischen ForwardFarms als Wissens- und Dialogplattformen in Deutschland etabliert. „Nachhaltige Anbaukonzepte werden zunehmend in die tägliche Beratungsarbeit einfließen“, ist er sich sicher.

Kuhlmann sprach sich gegen ein „Spartendenken“ aus. Der Experte für integrierten Landbau ist auch ein Freund des integrierten Denkens. Leufen forderte ebenfalls, dass sich die Einzeldisziplinen zum Wohle des Ganzen zurücknehmen müssten. Dafür bedürfe es neben den Spezialisten in Zukunft weiterhin der Generalisten in der Beratung, auch mit Blick auf neue Systemanforderungen zur Problemlösung etwa bei Resistenzfragen, in Zusammenhang mit dem Klimawandel oder der Ökonomie.

Die Digitalisierung könne hierbei eine wichtigen Beitrag leisten, sagte Bauer. Mithilfe digitaler Lösungen ließen sich ganzheitliche Anbausysteme sogar schlagspezifisch umsetzen. Für Kuhlmann ist dies auch mit Blick auf das Versuchswesen ein guter Ansatz. „Wir müssen die Produktion an Fakten messen. Das Ziel ist ein höchstmöglicher Ertrag auf geringster Fläche, dies gilt auch für die Biodiversität.“ Nils Bauer erläuterte, dass ganzheitliches Denken bei der bereits in hohem Maße Eingang finde. Insofern könne die Industrie der Landwirtschaft weit mehr als nur das Produkt bzw. nur die Sorte zur Verfügung stellen.

Die Frage nach dem Generalisten oder dem Spezialisten beantwortete Tobias Niklas: „Wir brauchen für den Betrieb jemanden, der alles beurteilen und konzentriert aufbereiten kann.“ Leufen differenzierte wie folgt. „Auf der einen Seite gibt es etwa Aufgabenbereiche für den übergeordneten `Digitalspezialisten für alles`, zum anderen aber auch den Sonderkulturexperten für alles`, der sowohl über Kenntnisse zur Düngung, zum Pflanzenschutz, zu Sorten oder Vermarktung in diesem Bereich verfügt.“

Eine neue Aufgabe der Beratung sahen die Gesprächspartner in der Öffentlichkeitsarbeit. „Nur wer weiß, was Verbraucher erwarten, kann beratend entsprechende Programme vorantreiben und Wertschätzung, aber auch Wertschöpfung schaffen“, meinte Leufen. Kuhlmann ergänzte, dass der Umgang mit Medien ebenfalls eine Beratungsaufgabe sein könnte.

Für die Industrie sind die Landwirte nach wie vor die erste Zielgruppe. Doch Nils Bauer räumte ein, dass Unternehmen wie Bayer an neuen Formaten arbeiteten, um die Landwirte bei der Verbraucherkommunikation zu unterstützen. „Wir wollen auch hier Teil der Lösung sein und helfen, das Bild der produzierenden Landwirtschaft zu prägen“, sagte Bauer. Der Bedarf für solche Angebote in der Praxis ist unterschiedlich ausgeprägt. So meinte Tobias Niklas, dass nicht jeder Landwirt dafür geboren, nicht jede Produktionsrichtung geeignet sei. Das erlebe er auf dem eigenen Betrieb. „Unseren Weizen produzieren wir weitgehen anonym, zu meinen Tieren kann ich durchaus Geschichten erzählen.“

Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass die Beratung auch in der Krise funktioniert. Digitale Angebote werden zunehmend wichtiger und auch von den Landwirten wahrgenommen, der persönliche Kontakt zu einem „Berater des Vertrauens“ und der regionale Bezug sind nach wie vor unverzichtbar. Inhaltlich kommen neue Themen auf die Beratungsszene zu. Mit Fragen zur CO2-Absorption als neue landwirtschaftliche Einnahmequelle hat die Moderatorin Daphne Huber, Redakteurin bei der agrarzeitung, ein solches angerissen.

Die bisher durchgeführten sechs Agrargespräche waren sehr erfolgreich. Die Rückmeldungen aus der Landwirtschaft sind sehr positiv. Daher wird das Format fortgesetzt. Das nächste AgrarGespräch findet am 20. November um 8.00 Uhr zum Thema Social Media-Kommunikation statt.

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