Agrar Magazin / Biodiversität

Biodiversität

Blühstreifen und Nisthilfen als Bausteine des Integrierten Apfelanbaus: So funktioniert Insektenschutz

Vor zwölf Jahren initiierte Bayer gemeinsam mit Betrieben der Erzeugerorganisation Dresdner Obst und deren Vertriebsgesellschaft (VEOS) ein außergewöhnliches Projekt: „Nachhaltigkeit in der Apfelproduktion“ zeigt, dass die Artenvielfalt in Obstplantagen erhöht werden kann, wenn neue Lebensräume geschaffen werden.  Ende August wurden die Ergebnisse des Langzeitprojekts in Dresden der Öffentlichkeit vorgestellt. Und die sind bemerkenswert.
„Und hier sehen Sie einige unserer Insektenfallen.“ Mit weit ausholender Geste deutet Dr. Jürgen Esser vom Büro für Freilandökologie in Dormagen auf seltsam wirkende Gerätschaften mitten in der Apfelplantage der Obstfarm Pietzsch & Winkler im sächsischen Kreischa. Einige davon hat er selbst gebaut. Zum Beispiel die umgedrehte grüne Wassertonne mit dem Loch im Deckel, darauf ein transparenter Topf. „Ein Fangautomat“, verrät Esser, „oder wie wir Fachleute sagen: ein Bodeneklektor“.
Dr. Jürgen Esser in Apfelplantage der Obstfarm Pietzsch & Winkler im sächsischen Kreischa.
Insektenfallen in der Apfelplantage

Dr. Jürgen Esser vom Büro für Freilandökologie in Dormagen

Fallen hat er auf dem Gelände reichlich installiert. Mal sind es kleine Zelte, oben hell, unten dunkel, an deren Gipfel ein Gefäß mit hochprozentigem Alkohol Insekten einfängt und konserviert. Aufgebaut hatte er diese Fallen nur aus einem Grund: um die Zahl der Insekten in der Apfelplantage, sowie die Arten zu bestimmen.

Entomologe Esser ist wissenschaftlicher Partner der Initiatoren des Langzeitprojekts in Sachsen. Zum Projektbeginn untersuchte er die eigens angelegten Blühstreifen. Die Frage war: Können sie die Biodiversität überhaupt fördern? Für die Antwort erfasste er Bienen, Stechwespen, Schweb-, Bohr- und Raupenfliegen sowie Tagfalter akribisch.

Das Ergebnis? „Einfach toll“, erklärte er den Pressevertretern, Politikern und Obstbauberatern, die zur Vorstellung der Erkenntnisse gekommen waren. Konkret: In den mehrjährigen Blühstreifen fand Esser jede Menge Bestäuber und Nützlinge. Im Einzelnen sind das 227 unterschiedliche Insektenarten, darunter 133 Wildbienenarten, von denen ein Drittel in Sachsen im Bestand gefährdet sind.

Die Nahrungskette wurde nachhaltig wiederbelebt und die lokale Artenvielfalt deutlich gesteigert

Seine Daten erlauben sogar noch weitergehende Schätzungen. Esser vermutet, dass in den untersuchten Blühflächen insgesamt rund 1.600 Insektenarten leben – darunter zahlreiche räuberische und parasitische Arten. Laut Esser „ein wichtiger Beleg dafür, dass die Nahrungskette dort nachhaltig wiederbelebt und die lokale Artenvielfalt deutlich gesteigert wurde“. Sein persönliches Highlight: der Fund der Glockenblumen-Wespenbiene. Denn der nur neun bis elf Millimeter große Brutparasit ist bundesweit vom Aussterben bedroht. In Sachsen wurde er zuletzt 1944 nachgewiesen.

Die Anlage von Blühstreifen gehört mittlerweile zu den gängigen Methoden, um Insekten – insbesondere Wildbienen – in Obstanlagen zu locken. Dass diese Maßnahme „allein nicht ausreicht“, unterstreicht Dr. Olaf Krieghoff. „Wir müssen unseren Bestäubern auch geeignete Nistplätze bieten“, weiß der promovierte Gartenbauingenieur, der als Mitarbeiter der Erzeugerorganisation Dresdener Obst das Partnerprojekt von Anfang an betreute.

Doch welche Nisthilfen sind von den Insekten erwünscht? Wer besiedelt sie? Und wo? Um das herauszufinden, wurden in fünf Apfelplantagen unterschiedliche Nisthilfen installiert, denn Insekten haben ganz spezifische Ansprüche an ihre Nisthabitate.

Zum Beispiel Wildbienen. Rund 585 Arten gibt es. Zwei Drittel davon nisten im Boden. Deshalb schätzen sie Erdhügel mit Steilwänden und Sandflächen. Die im Obstbau wichtigsten Bestäuber, die Mauerbienen, bauen ihre Nester hingegen vorzugsweise in Hohlräumen. Die finden sie etwa in Schilfstängeln. Nur 30 bis 40 Arten besiedeln klassische Insektenhäuser.

Doch Esser zählte auch die Gegenspieler der Nützlinge. Zum Beispiel räuberische Grabwespen oder Brutparasiten wie Keulenwespen. Am Ende konnte er 243 Arten Wildbienen, Wespen und deren Gegenspieler nachweisen.

Mit Meta-Barcoding 1.200 Insektenarten nachgewiesen: Vervierfachung in zwölf Projektjahren 

In der letzten Phase des Projekts ging Esser der Frage nach, welche Insektenarten überhaupt in den Anlagen vorkamen. Dazu nutzte der Entomologe erstmalig auch die derzeit modernste Analysemethode: die genetische Artbestimmung (Metabarcodierung). „Mit deren Hilfe konnte Insektenmaterial beliebiger Größe und Zusammensetzung extrem kosten- und zeitsparend analysiert werden“, erklärte Esser. Die Folge: Allein im Jahr 2020 konnte er 1.200 Insektenarten nachweisen. Viermal so viel wie zu Projektbeginn.

Das Ergebnis des Biodiversitätsprojekts begeistert nicht nur ihn, sondern sämtliche Partner gleichermaßen. Allen voran VEOS-Geschäftsführer Dr. Bernd Falkenau. „Die Kombination von Maßnahmen wie Blühflächen und Nisthilfen haben gezeigt, wie mit einfachen Mitteln die Artenvielfalt erhöht werden kann.“ Für Jörg Geithel von Bayer CropScience Deutschland ist es „der augenscheinliche Beweis dafür, dass integrierter Pflanzenschutz und die Förderung der Biodiversität kein Widerspruch sind“. Im Gegenteil: Nisthilfen und Blühstreifen sind Teil des Integrierten Pflanzenbaus.

Die Vorträge der Veranstaltung finden Sie hier:

Dr. Jürgen Esser, Büro für Freilandökologie
10 Jahre Förderung & Untersuchung der Insekten-Biodiversität im Apfelanbau

Philipp Steuer, NABU Sachsen
Biodiversitäts-Maßnahmen im Obstbau

Thomas Bierig, Universität Hohenheim und Landesverband Sächsisches Obst e.V.
IP Sachsen 2020 - Projektstand

Jetzt registrieren

Premeo

Unser Prämienprogramm, Ihr Vorteil.
Mit unserem Premeo-Treueprogramm beim Kauf von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut Punkte sammeln und viele attraktive Prämien sichern.

Services

Zugriff zu personalisierter Beratung, Premium Wetter und dem Herbizid Fruchtfolgeberater

Mehr erfahren